SAIGON

Die Geister der Vergangenheit wollen wir heraufbeschwören. Die volle Dosis sei uns gewiss. Der Tag hat auch in Saigon viele Stunden. Und bis wir uns im Kriegsmuseum dicke Tränen aus den Augen wischen, haben wir bereits klaustrophobische Anfälle in einem der vielen Vietcong-Tunnel überstanden. Wenn es einen Ort gibt, der die Härte, mentale Stärke, den beharrlichen Wiederstand, den Trotz und Stolz, aber auch die Leidensfähigkeit beider Kriegsparteien und zum Schreien ungerechte Gräueltaten symbolisiert, dann dürfte das Cu Chi sein. 30 Km westlich von Saigon, erstreckt sich ein Tunnelsystem von 420 km2. Fast bis zur kambodschanischen Grenze hatte sich der Wiederstand hier in die Erde – manchmal 3-etagig – gegraben und mit dieser Guerillataktik den Amis ziemlich heftig eingeheizt. Wie man das dort unten aushalten konnte, entzieht sich unserem Fassungsvermögen. Wir selbst dürfen durch einen Tunnel kriechen. Wenn auch nur einige Meter und in beleuchteter sowie erweiterter Ausführung, überkommt uns Beklommenheit. Die erste Millisekunde gar Panik. Das Gefühl ist unbeschreiblich. So wie überhaupt alles in dieser Anlage. Wir sehen kleine Bodenlöcher, nicht breiter als eine vietnamesische Schulter und mit Laub getarnt, von denen aus Vietcong-Sniper die amerikanischen Soldaten unter Beschuss nahmen. Erst von hinten, dann schnell runter, 50 Meter durch den Tunnel gekrochen, und von vorne noch einmal nachgeladen. Die US-Bodentruppen waren dem voll ausgeliefert. Man zeigt uns die diabolischen Fallen, die ihre Opfer wie Vieh aufspiessten. Fieses Tötungsmaterial. Dieses Fleckchen Erde ist von Blut durchtränkt. Beiden Seiten wurde übel zugerichtet. Und zum Ende hin haben die Amis das Gebiet mit Artillerie und Bomben einer Mondlandschaft gleich gemacht. Der Kloss im Hals ist gross und wird sich Stunden später im Kriegsmuseum in absoluter Fassungslosigkeit entladen.
Cu-Chi-TunnelCu-Chi-Tunnel - Fallen für die AmerikanerCu-Chi-Tunnel - Sehr erschreckend und kaum vorstellbarCu-Chi-Tunnel - Tunnelsystem

Cu-Chi-Tunnel - für Touristen schon vergrößertCu-Chi-Tunnel - Klaustrophobie vorprogrammiert

Zugegeben, auch diese Ausstellung ist propagandistisch angehaucht. Die Untertitel kann man jedoch ausblenden. Die Fotos benötigen keiner Worte. Benommen stolpern wir von Bild zu Bild und verdauen zerbombte Leichen, weinende Alte, schreckensweite Kinderaugen, verzweifelte Soldatengesichter, entlaubte Wälder und von Napalm entstellte Menschen. Gräulich. Ist ja nicht so, dass wir diese Bilder zum ersten Mal sehen. Aber wir sind trotzdem erschüttert bis ins Mark, wohlwissend, dass uns bald in Kambodschia ähnliches blüht. Ein Trauerspiel. Auch die Kriegsrethorik ist erschreckend. Was für ein Armutszeugnis der menschlichen Rasse. In Cu Chi spricht man von Erfolgslisten, zählt die Trefferquote der Genossen und bejubelt jeden getöteten Feind. Wörter wie „jagen“ werden benutzt, Bestenlisten genannt… Was bleibt abschliessend zu sagen? Vielleicht ein utopisches „Stell dir vor es ist Krieg und niemand geht hin“. Trotzdem können wir Saigon nicht nur auf den Kireg reduzieren.
Saigon - KriegsmuseumSaigon - SchrecklichSaigon - KriegsmuseumSaigon - Kriegsmuseum Da kann man nur schluckenSaigon - Kriegsmuseum Wir sind den Tränen nahSaigon - Kriegsmuseum - Ohne WorteKaum vorstellbar...Einfach nicht zu fassenSaigon - KriegsmuseumLest selbst ...Saigon - KriegsmuseumSaigon - Kriegsmuseum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Stadt ist eine Wohltat im Vergleich zu Hanoi. Das Klima ist prima, die Straße von Bäumen gesäumt, die Menschen entspannter. Selbst der Verkehr sehr überschaubar. Liegt auch am Tet-Fest. Alle sitzen zuhause oder sind verreist. Alles scheint weit moderner, westlicher als im Norden. Wir sehen Mc Donalds und Pizza Hut und stürmen gar einen Starbucks, um endlich mal wieder einen anständigen Kaffee zu schlürfen. Der vietnamesische Ca Phe ist Plürre. Eigenartiges Zeug. Apropos westlich. So richtig schlau werden wir nach wie vor nicht aus diesem Staatssystem. Sozialistische Ansätze sind, oberflächlich betrachtet, nur in der Bildsprache zu erkennen. Poster und Plakate bedienen sich der sozialistischen Symbolik. Sonst nix. Kapitalismus praktizierende Kommunisten, könnte man salopp sagen. Ein vietnamesischer Suppentopf voller verschiedenster Zutaten. Etwas Sozialismus, 1 Kilo Korruption, zerhäxelte Ideologie, ein Esslöffel Repression, 1 Liter Marktwirtschaft… Nur die alles entscheidende Prise Salz in Form von Demokratie fehlt. Das sehen die Vietnamesen ähnlich, wie uns abends ein in Deutschland lebender Vietnamese versichert. Aber meckern darf keiner, zumindest nicht zu laut. Sonst schlägt die Faust der kommunistischen Partei doch zu. Wir sehen das etwas ähnlich wie Bertrand Russel. Der schrieb einst: Wer in seiner Jugend kein Kommunist war, hatte kein Herz. Wer es als Erwachsener noch ist, hat keinen Verstand. So in etwa. Amen.
Saigon - Blumenstraße zum Tet-Fest (Wir haben nämlich nochmal Neujahr gefeiert :-))Saigon Saigon - schöne Gebäude
Saigon - KathedraleSaigon - Straßenverkäuferinnen überallSaigon - Opera House

Ein Gedanke zu „SAIGON

  1. Oh Mädels. Ich bin beeindruckt von der Wortwahl und der Sprache. Er bringt alles verständlich auf den Punkt. Liebe Grüße

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