BANLUNG

Banlung
Gartenarbeit! Freiwillig! Wenn das unsere Mutter wüsste. Das letzte Mal hatten wir wohl noch aufgeschlagene Knie, als unsere Mutter uns unter Protest in die Bohnen schickte und damit unser Schicksal besiegelte, von Mücken gefressen zu werden. Gartenarbeit! Und das nicht im wohlklimatisierten Deutschland, sondern in der staubigen Hitze Nordostkambodschas. Tja. Es kommt erstens anders und zweitens als man denkt.
Banlung - GartenarbeitBanlung - Dörti schwer am schuften :-)Banlung - so sieht es hier meistens aus...

 

 

 

 

Banlung soll unsere letzte Station im Land des Lächelns werden. Normalerweise schlägt man sich hier im Rahmen einer geführten Tour durch den Dschungel. Von dem ist bloss nicht mehr viel übrig, wie wir lesen und auch später mit eigenen Augen sehen werden. Auch wir haben geplant, einen auf Mogli zu machen und durch den Busch zu hirschen. Doch der Körper ist willig, nur der Geist sehr schwach. Unsere Motivation lässt nach all den Monaten nach. Will heißen, dass wir sehr offen sind für weniger anstrengende Alternativen. Und wie der Zufall es will, werden uns letztere in Gestalt von Ruedi und Melanie serviert. Ein Segen und einmal mehr eine Möglichkeit, sich im Sumpf der kambodschanischen Tristesse zu verlieren. Ruedi hat sich vor ungefähr acht Jahren in das Land verliebt und unterstützt seitdem mit dem eigens dafür gegründeten Verein GV Huvm einige Familien der Region. Wie sehr die Kacke in diesem armen Land am Dampfen ist, davon kann er ein Lied singen. Trotzdem das Beste daraus zu machen, kann man gut und gerne als Idealismus gelten lassen. Man braucht schon eine dicke Haut. Das Gute ist: seine Arbeit trägt Früchte. Das Geld versinkt nicht, wie wir alle selbst im geheimen befürchten, im Finanzloch großer NGO. Auch dazu hat er Geschichten auf Lager. Ein bestimmtes Kind im nahe gelegenen SOS Kinderdorf beispielsweise hat nie das Geld und die Pakete erhalten, die ein Freund von Ruedi und Pate des Kindes schickte…. Ruedi selbst ist jedes Mal für mehrere Monate vor Ort und hat sich ein Netz von Vertrauenspersonen aufgebaut. Das auch unter denen Schwund zu verzeichnen ist bzw. war, sprich einige sich bereicherten, anstatt das richtige Medikament auszugeben, auch daraus macht er keinen Hehl. Always keep trying. Und so übernimmt der GV Hufm die Schuldgelder für Kinder, gibt zinslose Darlehen für den Bau eines kleinen Restaurants, finanziert Medikamente oder die Ausbesserung eines Wohnhauses (Baracke trifft es wohl eher). Die Liste ist endlos. Ruedis Enthusiasmus ebenfalls. Er ist der Hammer. Eloquent, weltoffen, staatskritisch, links. Warmherzig mit einem derben Mundwerk, wenn angebracht. Tausend Geschichten hat er auf Lager von korrupten Lehrern, Ärzten, Bullen und dem ganz normalen Wahnsinn im Leben eines Kambodschaners. Lehrer, die den Prüfungsbogen nur korrigieren, wenn Geld in seine Kasse gelegt wird. Krankenschwestern, die offene Brüche einfach zunähen, von säubern ganz zu schweigen. Ärzte, die Medikamente oder Putzzeug gewinnbringend weiter verkaufen. Polizisten, die einem Kindsmissbrauch nur nachgehen, wenn sie bezahlt werden. Kleinkinder, die verhungern. Waisen, deren Eltern an Aids gestorben sind. Die Liste ist endlos. Unsere Fassungslosigkeit ebenfalls.
BanlungBanlung - Müll über all...Banlung - Einfache Hütten

 

 

 

 

Die Gartenarbeit machen wir bei Mama Pilau. Hier hat Ruedi zusammen mit Melanie schon die Beete angelegt. Melli kommt ebenfalls aus der Schweiz und hat sich Ruedi für zwei Wochen angeschlossen. Mama Pilaus Suffi-Ehemann kommt und geht, wann er will. Dass Männer hier mehrere Frauen verbrauchen, scheint wohl normal zu sein. Wenn er kommt, ist er meistens besoffen und will Geld. Mama Pilau gibt es ihm. Kann man wohl mit uns nicht vergleichen. Selbstbestimmt und selbstbewusst, das ist in Kambodscha noch keine Selbstverständlichkeit. Wir also grubbern, hacken und sähen Mais, Salat, Tomaten und Kürbis bei 35 Grad. Dieses Land ist trocken, der Staub ist überall. Zumal die Straßen fernab der Hauptstraße nicht geteert sind. Wie und wo man hier Wäsche zum Trocknen aufhängen soll, bleibt uns ein Rätsel. Wir waschen uns den Dreck am Nachmittag in einem Kratersee ab.
Banlung - KraterseeBanlung - Spaziergang um den SeeBanlung - Kratersee
Tagsdarauf gehts nach Karay, eine Gegend/Dorf, in der/dem ethnische Minderheiten leben. Ruedi empfiehlt uns, einen Mundschutz zu kaufen. Können auch wir endlich das Ding mal im Gesicht tragen. Mit dem Mofa heizen wir durch den Staub und verteufeln jeden LKW, den wir begegnen. Die Staubwolke ist gigantisch. Wir besuchen eine Familie, der Ruedi vor einigen Jahren mit einem Kredit von 150 Dollar ermöglichte, aus einer Bretterbude ein für kambodschanische Verhältnisse vernünftiges Restaurant zu bauen. Wie es scheint, hat die Familie nun ihr Auskommen. Ruedi hat Malbücher und Stifte im Gepäck. Zahnputzaktionen hat er übrigens auch schon durchgeführt. Alles hier keine Selbstverständlichkeit. Wir wandern etwas herum und schauen uns die Lebensumstände der Menschen an. Die Wasserlöcher, wo sich gewaschen wird, sind mittelalterlich. Wir sehen viele Kinder. Einige aufgeweckt und verspielt, andere zutiefst verschüchtert. In diesen Gesichtern kann man sich verlieren. Und will garnicht wissen, was da wohl passiert ist, dass diese Augen nicht mehr lächeln können…
Banlung - tolle Strassen...Banlung - der Staub ist überall und wir können kaum etwas sehenBanlung - Zum Glück haben wir Mund und Nasenschutz :-)Banlung - Ruedi hat Malzeug mitgebracht und die kleinen machen sich sofort ans WerkBanlung - auch hier überall StraßenstaubBanlung - vorne Hui hinten Pfui - Müllberg hinterm Haus
Banlung - Kaum zu glauben, hier wohnt jemand...Banlung - was passiert nur in der Regenzeit geschehen?Banlung - einfache Hütten zum Leben

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag wollen wir zu einigen Wasserfällen und verfransen uns im Labyrinth der kilometerlangen Kautschukplantagen. Das alles war mal Primärwald oder zur Landwirtschaft genutzte Fläche der hiesigen Bevölkerung. Dann kamen die Chinesen und andere Nutzniesser. Die kambodschanische Regierung verscherbelt das Land im großen Stil. Noch einmal zur Wiederholung. Für die meisten Kambodschaner ist das Leben kein Zuckerschlecken. Fast 70 % leben von weniger als 2 Dollar am Tag. Jedes dritte Kind ist unterernährt. Dabei ist Kambodscha reich an natürlichen Resourcen und deren gewinnbringende Ausbeutung. Dazu zählen Holz, Mineralien und Petrolium. 45% seines Landes hat die Regierung in den letzten Jahen an private in- und ausländische Investoren verleast. Wie die Regierung an das Land kommt, ist eine andere Sache. Landenteignungen stehen auf der Tagesordnung. Ob Bergbau, Staudammprojekte, Kautschukplantagen oder Tourismus. Die Landenteignung durch Lizenzverkauf, beispielsweise an Abholzungsunternehmen oder Bergbaufirmen, steigt rapide. In Ratanakiri, wie die Provinz heisst, in der wir uns befinden, trug sich folgendes zu. Nur ein nach Unrecht schreiendes Beispiel von vielen:

Aus einem Bericht des „United Nations Committee on the Elimination of Discrimination“ … Lagebeschreibung aus einem Dorf in der kambodschanischen Provinz Ratanakiri. Der Bericht rügt das Verhalten einer Kautschuk Firma, die seine Dorfgemeinschaft dazu zwang, ihr Land zu verlassen, da es Staatseigentum sei und es planiert werden würde, unabhängig davon, ob die Ureinwohner kooperieren würden oder nicht. Es wurde Angehörigen der Jarai-Minderheit Land unter falschen Tatsachenbehauptungen entzogen. Staatsbeamte erzählten ihnen, dass diese 50 Hektar Staatseigentum für invalide Soldaten gedacht seien. Auf die Zustimmung der Ureinwohner zur Landübergabe hin organisierten die Beamten ein Fest, an dem sie Alkohol ausgaben. Als die Dorfbewohner betrunken waren, wurden ihre Fingerabdrücke als Unterschrift auf einer Liste festgehalten. Dass es sich dabei um einen Vertrag handelte, war ihnen nicht klar. Später erfuhren die Indigenen, dass ihr Land an eine Firma verkauft wurde – und nicht an Soldaten – und dass es sich um 500 Hektar handelt, also um 450 Hektar mehr als vorher vereinbart. Unverzüglich wurden Gummibäume gepflanzt und den Ureinwohnern wurde der Zugang zu ihrem Land verboten. Sie setzten sich mit lokalen Nichtregierungsorganisationen in Verbindung, strebten eine Aufhebung des Vertrages an. Doch bis heute konnten sie nichts erreichen und auch keine rechtliche Überprüfung erwirken.
Banlung - kaum vorstellbar das man hier wohnen kannBanlung - Deutschland Fan :-)Banlung - Klettergerüst in Kambodscha - die BaumBanlung - WasserstelleBanlung Banlung - trotz allem gibt es meistens ein lächelnBanlung - Ruedi in seinem Element (Englisch lernen)Banlung - Was Ihr wohl wiederfahren ist - Es zerreist einem das Herz sie nicht lachen zu sehen...BanlungBanlung - Posen können sie auf jeden Fall :-)Banlung - Und sie haben SpaßBanlung - nicht alle haben etwas zu lachen...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Tja. Zum kotzen. Es sieht nicht gut aus, was wir sehen. Die Zukunft sieht nicht gut aus. Umso passender, dass auch wir bald nicht mehr gut aussehen. Auf einer kleinen Buckelpiste hauts uns um. Gotseidank bei geringer Geschwindigkeit. Heiki sieht jetzt so aus, wie anfangs beschrieben. Schürfwunden wie im Kindergartenalter. Dörti hats in der Schulter. Aber alles gut. Eine Geschichte mehr zu erzählen. Eine von soooo vielen.

Banlung - Strahlende Kinderaugen sind das schönste Geschenk...Banlung - Tja Fahren muss gelernt sein :-)Banlung - aber uns geht es gut...

 

 

 

 

Das wars. Wir müssen uns von Kambodscha verabschieden. Its the people who make the place, sagt man so passend im Englischen. Im Deutschen würde es sich komisch anhören. Kurz gesagt: die Menschen werden uns in Erinnerung bleiben. Kambodscha ist für uns das wahre Land des Lächelns.

Wen’s interessiert, hier der Link. Ein Hoch auf Ruedi. Wir sind beeindruckt.
www.gv-hufm.ch

3 Gedanken zu „BANLUNG

  1. Hallo Dörti, allerherzlichste Glückwünsche zu Deinem Geburtstag, alles Liebe und Gute, weiterhin viel Freude, Spass und Glück, noch viele tolle Erlebnisse am anderen Ende der Welt. Liebe Grüße auch an Heike. Tausend Umärmelungen, Drücker und Küßchen von Steffen und Rita

  2. Liebe Dörte, auch von mir alles herzlich Liebe, viel Zufriedenheit und Abenteuer. Nimm das Leben auf in allen Zügen und genieße dieses Glück, durch die Welt zu reisen und das Leben einzuatmen. Ich freu mich so über deine Zeilen, ich hoffe du wirst entdeckt, du schreibst ein Buch, so wie ich es tun sollte, deiner Meinung nach. Ich seh dich immer lächeln, wenn ich an unsere Reise denken und wünsch, das hast du immer….. Kuß an dich Dörti. Bis bald, Anne

  3. He Mädels.
    Diese Seite habe ich verpasst.
    Aber wirklich wieder sehr interessant.
    Darum wusste ich auch nichts von dem Sturz. Hel

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